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Voraussetzungen für eine Scheidung – Abläufe & Sonderfälle

Eine Ehe kann nicht ohne weiteres geschieden werden – es müssen gewisse Voraussetzungen gegeben sein. Dies soll verhindern, dass voreilige Entscheidungen getroffen werden. Schließlich bedeutet eine Krise nicht zwangsläufig ein Ende, sondern kann auch Wegbereiter für Veränderungen und positive Entwicklungen sein. Doch manchmal ist keine Hoffnung mehr in Sicht und dann hat es auch oft keinen Sinn, das Weiterbestehen der Ehe mit aller Kraft zu erzwingen. Diese Sichtweise ist auch Grundlage der Gesetzgebung, die als Voraussetzung einer Ehescheidung eine „Zerrüttung“ des Verhältnisses nennt. Wie dies genau definiert ist, möchten wir Ihnen im Folgenden aufzeigen. Außerdem erfahren Sie in diesem Artikel, was Sie beachten sollten, bevor Sie eine Scheidung in die Wege leiten.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Voraussetzung für eine Scheidung: Das Zerrüttungsprinzip

Scheidungen folgen in Deutschland dem sogenannten Zerrüttungsprinzip. Das bedeutet, dass bei der Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen der Fokus nicht mehr auf die Ursachen des Ehescheiterns gelegt wird, wie dies noch zu früheren Zeiten war. 

Doch auch wenn die Gründe, die zu einem Scheidungswunsch geführt haben, heutzutage im Normalfall keine große Rolle mehr spielen: Sie werden, wenn notwendig, auch in die gerichtliche Betrachtung einbezogen. Doch dazu später mehr (Siehe dazu den Abschnitt „Scheidungsgründe als Nachweis einer Ehezerrüttung“).

Im Allgemeinen ist eine Zerrüttung der Ehe in § 1565 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) folgendermaßen definiert: „Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.“ Wenn mindestens einer der Ehepartner schon eine Trennung veranlasst hat, und keine Hoffnung mehr besteht, dass die beiden wieder zueinander finden, kann die Ehe als gescheitert angesehen werden.

Nachweis der Scheidungsvoraussetzungen

Ob eine Ehe als zerrüttet und somit als gescheitert angesehen wird, kann etwas sehr Subjektives sein. Für einen der Partner kann es klar sein, dass eine Scheidung die einzige Lösung darstellt, während der andere immer noch Hoffnungen in die Beziehung setzt. Es gibt daher einige gesetzliche Richtlinien, nach welchen dies beurteilt wird. Diese werden vor Gericht als Nachweis gehandhabt, um zu zeigen, dass die Scheidungsvoraussetzungen tatsächlich erfüllt sind. Im Folgenden erfahren Sie mehr über die verschiedenen Nachweismöglichkeiten.

Trennung der Eheleute als Voraussetzung für eine Scheidung

Wie oben bereits erwähnt wurde, hat einer Ehescheidung eine Trennungszeit vorauszugehen. Was damit gemeint ist, wird in § 1567 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) deutlich: „Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.“

Wie diese Trennungsphase vonstatten geht, kann also ganz unterschiedlich sein: Manche leben in getrennten Wohnungen, andere wiederum bleiben im gemeinsamen Haushalt, ohne dass dieses Zusammenleben noch als Ehegemeinschaft betrachtet werden kann. Diese Zeit der Entzweiung kann unterschiedlich lange dauern und auch ganz unterschiedlich erlebt werden – es kann auch sein, dass man wieder zueinander findet. Entwickelt sich die Ehe jedoch eher in die Richtung der endgültigen Trennung, kristallisiert sich je nach Situation der weitere Scheidungsweg heraus: Je nachdem, ob der Wunsch nur von einem oder beiden ausgeht, kann dieser Weg anders aussehen.
In den folgenden Absätzen werden wir genauer auf diese verschiedenen Optionen eingehen.

Einvernehmliche Scheidung & Trennungsjahr

Von einer einvernehmlichen Scheidung spricht man dann, wenn die Ehegatten beiderseits mit einer Scheidung einverstanden sind. Gemäß § 1566 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) müssen sie bereits seit einem Jahr getrennt sein. Im Anschluss daran ist das weitere Verfahren relativ unkompliziert: Der Scheidungsantrag kann gestellt werden und der weitere Prozess wird im Normalfall recht zügig ablaufen. Verzögerungen können jedoch auftreten, wenn derjenige, der den Antrag stellt, es sich doch noch anders überlegt. Um solche Verzögerungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, dass beide Seiten einen Scheidungsantrag stellen.

Anwaltspflicht

Denken Sie daran, dass die Verpflichtung besteht, den Scheidungsantrag mit Hilfe eines Anwalts einzureichen. Mit einer beiderseitigen Antragstellung kann man also eventuell Zeit sparen, die Anwaltskosten kommen jedoch hinzu.

Hinzu kommen noch Verhandlungen zu den Folgesachen. Verhandlungen zu Folgesachen beschäftigen sich mit den Konsequenzen von Ehescheidungen. Hier wird zum Beispiel entschieden, wie das gemeinsame Vermögen aufgeteilt wird. Auch wenn beide der Scheidung zustimmen, heißt das noch nicht, dass sie alle Fragen untereinander geklärt haben. Je mehr Uneinigkeiten hierbei bestehen, desto mehr Zeit und Geld wird das Verfahren in Anspruch nehmen.

Streitige Scheidung – bis zu drei Trennungsjahre

Möchte nur einer der Eheleute geschieden werden, während der andere die Ehescheidung ablehnt, spricht man von einer streitigen Scheidung. In diesem Fall kann mit einem zeitaufwändigeren Verfahren gerechnet werden. Die Gesetzeslage ist nämlich so, dass hier angezweifelt wird, ob die Scheidungsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen. Zur streitigen Scheidung heißt es in § 1566 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): „Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.“ Nach drei Jahren der Trennung wird das Scheitern der Ehe also vor Gericht unzweifelhaft angenommen. Der Scheidungswille eines Partners reicht aus. Zusätzlich gibt es noch eine weitere Möglichkeit, eine Anerkennung der Scheidungsvoraussetzungen vor Gericht zu erlangen: Nämlich, indem das endgültige Scheitern der Ehe auf andere Art bewiesen wird. Der kommende Absatz beschäftigt sich hiermit.

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Scheidungsgründe als Nachweis einer Ehezerrüttung

Parallel zur Erbringung des Nachweises durch Trennungsjahre, besteht in gewissen Fällen auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Entscheidung, die nach Untersuchung des individuellen Falles getroffen wird. Hier kommt eine andere Form des Nachweises einer Zerrüttung zur Anwendung: Die Schilderung und der Beweis von Scheidungsgründen fließen in den Scheidungsprozess ein. So kann das Scheitern der Ehe vor Gericht glaubhaft gemacht werden und unter Umständen eine verkürzte Trennungsdauer bewirkt werden. In welchen Situationen das wichtig sein kann, erfahren Sie gleich beim Weiterlesen dieses Artikels. Für Interessierte möchten wir außerdem auf diesen Artikel verweisen, der sich ausgiebig mit der Thematik der Scheidungsgründe beschäftigt: Scheidungsgründe. Dort erfahren Sie unter anderem, welche Gründe von Relevanz sein könnten und was Sie alles im Scheidungsverfahren beachten sollten.

Verkürzte Scheidung trotz fehlender Zustimmung des Partners

Bei einer strittigen Scheidung kann das Verfahren sozusagen erweitert werden: Mit ausreichendem Nachweis von Scheidungsgründen kann so vor Gericht erreicht werden, dass die Scheidung schon früher vollzogen wird – auch gegen den Willen des Partners. Mit mindestens einem Trennungsjahr muss aber auch in diesem Fall gerechnet werden. In der Praxis kann es vorkommen, dass derjenige, der gegen eine Scheidung ist, das Scheidungsverfahren weiter in die Länge ziehen möchte.

Das kann man sich folgendermaßen vorstellen: Während der Scheidungswillige versucht, das Scheitern der Ehe nachzuweisen, könnte der andere genau das gegenteilige tun und den Aussagen in allen Punkten widersprechen. Aus diesem Grund sind Nachweise vor Gericht so wichtig – schließlich sollen die Entscheidungen auf einer soliden und objektiven Basis fußen. Sie können sich auf solche Fälle vorbereiten, indem Sie die Bekanntgabe Ihrer Trennung samt Datum schriftlich festhalten. Wenn Sie das noch durch die Unterschrift Ihres Partners bestätigen lassen, haben Sie schon einmal einen aussagekräftigen Nachweis für das spätere Verfahren, falls Ihr Gatte die Trennung abstreiten sollte.

Härtefallscheidung

In besonders schwerwiegenden Verhältnissen kann eine sogenannte Härtefallscheidung beantragt werden. Das Trennungsjahr kann bei erfolgreichem Nachweis, dass ein Härtefall vorliegt, umgangen werden. Manchmal stellt diese Form der Scheidung jedoch eine Scheinlösung dar – es kann nämlich sein, dass die Verhandlungen diesbezüglich so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass es keinen großen Unterschied mehr macht. Bis eine Entscheidung vorliegt, wäre das Trennungsjahr ebenfalls schon abgeschlossen gewesen.

 

Sonderfälle: Keine Scheidung trotz Erfüllung der Voraussetzungen

Es gibt auch besondere Situationen, in welchen man zwar unweigerlich vom Scheitern der Ehe sprechen kann, das Gericht aber trotzdem beschließt, dass die Verbindung aufrechterhalten werden soll. Das ist nachzulesen in § 1568 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Dort heißt es:

„Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.“ In solchen Fällen findet eine sorgfältige Abwägung vor Gericht statt. Diese sogenannte Härteklausel kommt also nur in ganz seltenen Fällen zum Einsatz, nämlich dann, wenn eine ernsthafte Gefährdung für das Kindeswohl oder für einen der Eheleute vorliegt.

Hier noch einmal zur Veranschaulichung:

Art der ScheidungAusgangslageScheidungsvoraussetzungen
einvernehmlichBeide wollen die Scheidung1 TrennungsjahrKein weiterer Nachweis nötig
streitigNur einer will die Scheidungbis zu 3 TrennungsjahreVerkürzung bei Nachweis von Scheidungsgründen
Härtefall mit ScheidungUnzumutbare Härte für einen der Partner< 1 TrennungsjahrNachweis einer unzumutbaren Härte erforderlich
Härtefall ohne ScheidungAußergewöhnliche Umstände für Partner / Interessen der KinderKeine Bewilligung der Scheidung, obwohl die Voraussetzungeng egeben wären

Wie kann ein Anwalt für Familienrecht helfen?

Auch wenn man über die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Scheidung informiert ist, kann es im Einzelfall schwierig sein, zu einer sicheren Einschätzung zu kommen. Das ist besonders bei streitigen Ehe Verhältnissen der Fall – umso mehr, wenn Sie beabsichtigen, das Scheidungsverfahren schon zu einem früheren Zeitpunkt abzuschließen. Wenn beide einverstanden sind, genügt ein Anwalt für die Einreichung des Scheidungsantrags. Für weitere Verfahrenspunkte, die mit der Scheidung in Zusammenhang stehen („Folgesachen“ wie z.B. Unterhalt oder Sorgerecht), empfiehlt es sich jedoch, einen Anwalt zu engagieren, damit dieser Ihre Interessen auch durchsetzen kann.

Auch bezüglich der Ausnahmefälle kann oft Unsicherheit bestehen. Kann in meinem Fall von einer Härtefallscheidung gesprochen werden? Und wenn ja – Wie kann ich das vor Gericht beweisen? Welche Chancen habe ich auf eine frühzeitige Scheidung, obwohl mein Partner mich einfach nicht loslassen möchte? Wie kann ich vor Gericht beweisen, dass es wirklich keine Hoffnung mehr für die Ehe gibt? Die Sichtweise eines Anwalts kann Ihnen dabei behilflich sein, Antworten auf solche Fragen zu erhalten und sich bestmöglich auf ein Scheidungsverfahren vorzubereiten.

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FAQ: Voraussetzungen für eine Scheidung

Wie die Ehesituation im Einzelfall beschaffen sein muss, damit die Scheidungsvoraussetzungen gegeben sind, ist nicht fest umrissen. Es muss lediglich eine Zerrüttung des Verhältnisses – ohne Aussicht auf Besserung – vorliegen.

Die Trennungszeit eignet sich, um herauszufinden, ob die Eheleute es wirklich zur Scheidung kommen lassen wollen oder ob nicht doch noch eine Chance für die gemeinsame Verbindung besteht. Auf diese Weise werden voreilige Entschlüsse vermieden. Dadurch liegen aus der Sicht des Gerichts auch die notwendigen Voraussetzungen für eine Scheidung vor.

Eine Scheidung ist in den allermeisten Fällen auch trotz minderjähriger Kinder möglich. Sonderregelungen kommen nur zur Anwendung, um die Interessen von Kindern, welche sich in außergewöhnlichen, herausfordernden Situationen befinden, zu schützen. Das wäre zum Beispiel dann angebracht, wenn das Kind suizidgefährdet ist oder es auf besondere Pflege auf Grund einer Behinderung angewiesen ist.

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Ein Beitrag der juristischen Redaktion

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